Der wahre Glaube

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"Nein, nein, mein Herr, bitte keine Security! Ich wollte euch wirklich nicht bestehlen, keineswegs!" Voller Nachdruck beteuerte Kogi seine Unschuld.
"Und Ihr möchtet mir im Ernst weismachen, dass Ihr die verlorene Cashcard in meine Tasche stecken wolltet?", skeptisch beäugte der füllige Geschäftsmann den kleinen Guap.
Kogi verdrehte seine Augen und zog eine beleidigte Schnute. "Aber mein Herr, wo würden wir denn hinkommen, wenn jeder den Anderen grundlos beschuldigt ein Verbrechen begangen zu haben? Wo würden wir denn hinkommen, wenn wir keinen Funken Vertrauen mehr zu einander haben?" Andächtig faltete der listige Guap seine vier Hände vor der schmalen Brust. "Schaut mich an, mein Herr, in unserem Stamm bin ich der Priester und diene den Göttern. Der einzige Sinn meiner Existenz auf dieser Welt ist es ihnen zu huldigen und den wahren Glauben zu verkünden. Credits? Wozu benötige ich materielle Güter? Ich strebe nach mehr, als nur dem irdischen Besitz. Die Liebe der Götter zu erlangen, ist das einzige Ziel, welches ich zu erreichen suche."
Mit einem würdevollen Senken der Augen, perfektionierte der Guap seinen Ich-bin-doch-der-ehrlichste-Bürger-dieses-Planeten-Blick.
"Mein Herr, als die Götter uns schufen, waren wir alle gleich. Ihr seid mein Bruder, sowie ich der eurige. Wir sind alle Geschwister auf diesen großen, weiten Welten. Und beantwortet mir nur die eine Frage: würdet Ihr euren eigenen Bruder bestehlen? Nein!", demonstrativ stampfte der Guap mit seinem schmächtigen Beinchen, "Ich glaube nicht, dass Ihr solch einer unehrenhaften Handlung fähig seid! Wenn ich euch so anschaue, mein Bruder", säuselnd senkte sich Kogis Stimme, "glaube ich wirklich an die unendliche Macht göttlicher Wesen, die das Universum erschufen dort die Planeten verteilten und mein, sowie unser aller Handeln lenken. In euren Gesichtszügen sehe ich es, an eurem Verhalten kann ich es deutlich erkennen: ihr seid ein Auserwählter, ihr seid Derjenige, dem die Götter ihr Wohlwollen schenken. Ihr seid der Glückliche mein Bruder, die Augen derer, denen ich diene, schützend über eurem Haupt zu wissen. Sie geben euch die Kraft, alles erreichen zu können wonach es euch beliebt. Ihr seid wahrhaftig ein Mensch wie kein Anderer. Schätzt euch des Wissens glücklich, mein Bruder."
Die Ansprache tat ihre vorgesehene Wirkung. Obwohl oder vielleicht gerade weil es in der heutigen Welt voller Maschinen und Elektronik keinen Platz für Götter gab, konnte der Geschäftsmann angesichts dieser ergreifenden Predigt, kaum etwas erwidern. Seine Augen füllten sich rasch mit Tränen und ließen seinen Blick verschwimmen. Er spürte eine Woge der Wärme und der Zuneigung diesem gottesfürchtigen, kleinen Mann gegenüber, in sich aufsteigen. Wie konnte er sich nur erlauben einen Priester des Diebstahls zu bezichtigen. Welch eine blasphemische Anmaßung. Das schlechte Gewissen drohte ihn zu erdrücken, er hoffte, dass er hiermit seine Chance auf eine weitere Unterstützung seitens der Götter nicht verspielt hatte.
"Hier", er verband einen CC-Rohling mit seiner primären Cashcard, transferierte einige Credits auf diesen und hielt ihn Kogi hin, "nehmt dieses Geld als eine kleine Spende für euere Götter, mein Freund, und vergebt mir bitte mein ketzerisches Verhalten." Reumütig blickte er den Guap an, um aus dessen Gesicht den möglichen Schaden heraus zu lesen.
"Ihr stellt eueren Glauben auf eine wirklich harte Probe, mein Sohn", erwiderte Kogi mit gespieltem Hochmut, "doch ich nehme eure Spende gerne entgegen und werde für euch betten." Versöhnend breitete er seine Arme aus und drückte den breiten Geschäftsmann ganz fest - außergewöhnlich fest - an sich.
Nach der Beendigung des Verabschiedungsrituals, sah der hoffende Geschäftsmann dem sich entfernendem Priester nach, wischte eine Träne der Erleichterung aus seinem Auge, schaute ehrfürchtig gen Himmel und setzte erleichtert seinen Weg fort.
Kaum hinter der Ecke des nächsten Wohnkomplexes verwunden, löste sich Kogi mit einem breiten Grinsen aus den vorbefließenden Besuchermaßen. Noch mal Glück gehabt, dachte sich der Möchtegernpriester und schob die beim zweiten Versuch, erfolgreich erbeutetete Cashcard in den Slot eines nahe stehenden Videophones. Sein Grinsen wurde noch breiter als er das Guthaben auf der primären Cashcard des Geschäftsmannes ablas.

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